Bin ich erfolgreich?

«Er ist sehr erfolgreich», sagte mein Mann.

Über wen, das weiss ich nicht mehr, aber es war jemand, den ich nicht persönlich kannte. Sofort poppte vor meinem inneren Auge ein Bild auf: Ein Mann, Ende vierzig, Anfang fünfzig, graue Haare, grauer Anzug, arbeitet in einem grösseren Unternehmen und hat dort eine wichtige Position inne. Irgendwas mit Zahlen und Management, mit Führungsaufgaben und ja, er verdient mehr als anständig. Was fair ist, denn er hat eine gute Ausbildung sowie einige Weiterbildungen absolviert und sich diese Position erarbeitet — mit grossem Einsatz, zig Überstunden und über viele Jahre.

Ich nahm einen Schluck meines Prosecco-Lavendel-irgendwas-Getränks und unterbrach damit meinen Gedankengang. «Wen», fragte ich meinen Mann, «stellst du dir vor, wenn du von einem ‹erfolgreichen Menschen› sprichst?»

Ich erspare Ihnen unsere nachfolgende Diskussion, liebe Leserinnen und Leser, denn wir sind abgeschweift, haben über die Kinder gesprochen, was man ja an einem Abend, an dem man als Paar und eben nicht als Eltern unterwegs ist, nicht tun sollte, wegen der Romantik und so, und kamen vom Hundertsten ins Tausendste — ich glaube, Sie merken, was ich meine.

Lieber gebe ich die Frage weiter an Sie: Was ist ein erfolgreicher Mensch? Was ist Erfolg? Gibt es allgemeingültige Kriterien, die erfolgreiche Menschen auszeichnen oder ist das individuell?

Ich persönlich merke immer wieder, wie sehr sich alte Glaubenssätze und meine Wertvorstellungen in die Quere kommen. Auf der einen Seite das Bild des grauhaarigen Herrn: Er hat immer viel gearbeitet, sich wenig Pausen gegönnt, seine Aus- und Weiterbildungen geschickt geplant. Er darf sich heute CEO nennen und ein entsprechendes Salär auszahlen lassen — ein Archetyp des erfolgreichen Mannes. Auf der anderen Seite meine Überzeugung, dass Geld nicht alles ist, dass Ausbildungen auch Spass machen und den Horizont erweitern sollen und ein Sabbatical eine top Gelegenheit ist, mal alles zu hinterfragen.

Passt das mit Erfolg zusammen? Ich bin weiblich, zweifache Mutter, habe Phil I studiert und mein erstes Sabbatical vor 30 gemacht. Ich arbeite Teilzeit und mein Lohn schwankt zwischen «ist in Ordnung» und «könnte besser sein». Kann ich mich mit diesen Vorzeichen als erfolgreich bezeichnen? Yes, I can: Denn in meinem eigenen Unternehmen bin CEO, Powerfrau und Game Changer mit Ecken und Kanten.


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