Freundliche Wörter, fiese Wörter
Ich liebe Wörter. Kurze Wörter, lange Wörter, mittlere Wörter. Hundskommune Wörter wie Haus oder Tisch, aussergewöhnliche Wörter wie Graupelschauer, altmodische Wörter wie Backfisch, eingedeutschte Wörter wie updaten und Fremdwörter wie Arachnophobie. Ganz besonders angetan haben es mir Helvetismen wie grillieren und Velo und ich finde es auch schampar lässig, meine Texte mit dem einen oder anderen Dialektausdruck zu würzen.
Die Wörter und ich, wir sind seit meinen Kindheitstagen enge Freunde und wie es sich für Freundinnen gehört, bin ich lieb zu den Wörtern und die Wörter sind nett zu mir. Sie kommen angeflogen, wenn ich sie brauche, manchmal muss ich nicht mal nach ihnen rufen. Auch Schwieriges stehen wir gemeinsam durch. Kaum einmal war ein Wort beleidigt, wenn ich es durch ein besseres ersetzt habe oder ihm befohlen habe, meinen Text sofort zu verlassen.
Ganz wichtig auch für meinen Berufsalltag als Texterin: Die Wörter lassen mich immer wissen, wie sie geschrieben werden wollen. Da verstehen wir uns ohne Worte, die Wörter und ich.
Zumindest meistens. Denn es gibt einige Querschläger, die sich so gar nicht in diese Harmonie einfügen wollen. Verschlossene Wörter, die ihr Inneres nicht preisgeben und mich nicht an sie heranlassen. Schlimmer noch, einige von ihnen blamieren mich regelmässig. Mit voller Absicht, so fürchte ich.
«Intelektuell» ist so ein Wort. Nie weiss ich, wo die beiden «L» in diesem Hund von einem Wort hinkommen. Besonders fies, denn ich will mich der Welt ja gerne als intellektuelle Person präsentieren.
«Prokastrinieren». Etwas, was ich regelmässig tue und gar nicht mal unbewusst als Druckmittel mir selber gegenüber einsetze. Dinge so lange aufschieben, bis es wirklich eilt und der nötige Druck da ist, in die Gänge zu kommen. Nur habe ich keine Ahnung, wie man das fremdwortige Wort ausspricht, geschweige denn schreibt und so muss ich das deutsche Pendant «aufschieben» benutzen, was so überhaupt nicht intelektuel wirkt.
«Glace» habe ich jahrelang falsch geschrieben und ihm einen Accent aigu auf dem E verpasst. Besonders peinlich, denn ich versuche ja, diese Köstlichkeit so oft in Texten zu promoten, wie es nur geht. Inflationär falsch verwendet.
Und dann gibt es diese Fieslinge, die sich für ihre destruktiven Machenschaften mit meiner Tastatur verbrüdert haben.
«Akquise» tönt es in meinem Kopf und am Bildschirm steht «Aqkuise». An ganz schlechten Tagen sogar «Akwuise». Auf dem Blatt steht «du erhälst», obwohl ich mit Sicherheit «erhältst» geschrieben habe.
Ich weiss nicht, was ich diesen Wörtern in der Vergangenheit angetan habe, dass sie mir die Freundschaft gekündigt haben. Ich könnte mich jetzt öffentlich dafür entschuldigen, dass ich ihnen auf den Schlips getreten bin. Ich lass es aber – denn es ist wohl bei Wörtern wie bei Menschen: es können einen nicht alle mögen. Und bei rund 500000 Wörtern gibt es ja genügend Alternativen.